Teil 5: Ich bin Ich, Du bist Du!

Die Entwicklungspsychologie und die ganz praktische Erfahrung eines jeden von uns belegt, dass zur Selbstwerdung und Entwicklung einer reifen Persönlichkeit nicht nur das Nachahmen von Vorbildern, sondern auch die Abgrenzung von denselben ge­hört. Dieser Prozess beginnt in der Kindheit und setzt sich über Jugendzeit fort bis ins Erwachsenenalter.

Wie anstrengend und manchmal schmerzvoll dieser Weg sein kann, kennt jeder aus seiner eigenen Lebensgeschichte.

Fritz Pearls, dem Begründer der Gestalttherapie, wird folgender Satz zugeschrieben:

„Ich tue das Meine,

Du tust das Deine.

Ich lebe nicht auf der Welt, um Deinen Erwartungen zu entsprechen.

Du bist nicht auf der Welt, um meine Erwartungen zu erfüllen.

Wenn wir uns begegnen, ist das schön. Wenn nicht, lässt es sich auch nicht ändern.

Ich bin Ich und Du bist Du.“

Dieser Spruch reizt zum Widerspruch und manche werden einwenden: „Das ist doch ziemlich radikal! Das lässt sich doch so nicht leben! Man muss doch auch mal die Erwartungen von anderen erfüllen! Und man muss doch auch mal zurückstecken!“

Gewiss, menschliches Zusammenleben besteht nun mal aus Kompromissen. Meine Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen beginnt.

Bevor ich jedoch Kompromisse schließe, muss ich mir in einem existenziellen Sinne klar darüber sein:

• Ich lebe mein Leben und der andere lebt sein Leben.
• Meine Erwartungen und Bedürfnisse sind gleichwertig den Erwartungen und Be­dürfnissen anderer.
• Ich kann nur dann eine befriedigende Beziehung zu einem anderen Men­schen eingehen, wenn ich gelernt habe, mich genauso wichtig zu nehmen wie den andern.

Beachte ich dies alles nicht in ausreichendem Maße, gehe ich faule Kompromisse ein, werde unzufrieden, unglücklich und im schlimmsten Falle krank.

Mit der folgenden Übung üben Sie diese existenzielle Grundhaltung ein.

Am 06. November 2022 geht es weiter mit Teil 6: Im Vertrauen auf Gott meinen Weg gehen.